Sondersitzung Bürgerschaft 27.03.2023

Juliane Jahn

Hier beginnt gegen 19 Uhr der Liveticker von der Sondersitzung der Greifswalder Bürgerschaft. Die Sitzung findet um 19 Uhr in der Mehrzweckhalle am Schönwalde-Center statt. Es tickert die Fraktionsgeschäftsführung.

Alle Vorlagen der heutigen Sitzung gibt es hier:

Öffentliche Tagesordnung der Greifswalder Bürgerschaftssitzung am 27.03.2023

Die Sondersitzung findet heute in der Mehrzweckhalle am Schönwalde-Center statt. Zuschauerinnen mussten sich vorab anmelden, es werden Ausweise und Taschen kontrolliert. Die Sitzung kann auch über den Livestream verfolgt werden.

19:03

Die Sondersitzung der Bürgerschaft beginnt. Pünktlich zum Sitzungsbeginn fängt es in Greifswald an zu schneien. 38 stimmberechtigte Mitglieder sind aktuell vor Ort.

19:34

In der Einwohnerfragestunde haben sich vorab Redner angemeldet, die Beiträge sind sehr einseitig. Ich finde es immer verwunderlich, wie Menschen sagen können, dass sie in keiner Demokratie mehr leben und der Oberbürgermeister sie unterdrückt, wenn sie genau das laut sagen dürfen. Auch werde angeblich Druck auf Mitarbeiterinnen der Universität, der Stadtverwaltung und der WVG ausgeübt, das Bürgerbegehren nicht zu unterschreiben. Kurzer Hintergrundcheck im privaten Umfeld unter der genannten Gruppe: kann keiner bestätigen. Aber wer solche Behauptungen aufstellt, ist für andere Informationen wahrscheinlich leider nicht mehr erreichbar.

Wer immer sagt, dass er überhautpt nichts dagegen hat, zu helfen, dann aber lange Sätze mit Gründen folgen lässt, warum diesen und jenen Menschen nicht, sollte sich nicht wundern, wenn er nicht als Freund aller Menschen verstanden wird.

19:44

Als Gegengewicht zu den bisherigen Wortmeldungen meldet sich nun eine Frau, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen ist. Direkt nach den ersten Sätzen wird sie ausgebuht. Es ist so traurig. Sie spricht über ihre Ängste  und lädt die Menschen, die Angst vor dem Fremden haben, ein, sich mit Flüchtlingen auszutauschen.

19:47

Die Einwohnerfragestunde wurde auf Antrag verlängert, da es noch deutlich mehr Redebedarf gibt. Im Gegensatz zu den ersten Redebeiträgen gibt es nun auch Stimmen, die die Weltoffenheit Greifswalds betonen und dass sie froh sind, dass unsere Stadt Menschen in Not helfen möchte. Die Conatiner seinen keine perfekte Lösung, aber im Notfall immer noch besser als im Krieg zu leben.

20:03

Das Mikro ist nun geschlossen. Es geht weiter in der Tagesordnung. Eine Dringlichkeitsvorlage der Verwaltung wird noch eingeschoben. Nach Rücksprache mit den Hoteliers soll die Übernachtungssteuer auf 6% vereinheitlicht werden, um das Prozedere zu vereinfachen.

20:09

Der Landrat erhält nun das Rederecht und erläutert die Flüchtlingssituation im Landkreis.

20:27

In Greifswald machen Flüchtlinge 3,5% der Bevölkerung aus. Der Landkreis sucht auch nach alternativen Lösungen zu den Containern. So zum Beispiel ein Objekt in der Friedrich-Loeffler-Straße. Die WVG habe weitere 100 Wohnungen bis zum ersten Quartal 2024 angeboten, die aber noch saniert werden müssen. Aktuell seien diese Wohnungen nicht bewohnbar. Die Kosten sollen vom Land getragen werden. Die meisten Wohnungen, die dem Landkreis als verfügbar angeboten werden, seien sanierungsbedürftig. Das dauert.

20:37

Von den fünf angebotenen Flächen (Festspielplatz an der Jungfernwiese, Wiese in der Lise-Meitner-Straße, Sportplatz in der Feldstraße 86, Anklamer Straße 15/16 (Hinterhoffläche der Kunstwerkstätten), Usedomer Weg (neben der CDF-Sporthalle)) seien aus der Sicht des Landkreises alle geeigent. Und: sie werden alle gebraucht, so der Landrat.

20:41

Nach dem Vortrag des Landrats gehen wir nun in die Beratung der Beschlussvorlagen.

21:09

"Auch wir wollen keine Containerdörfer für über 500 Menschen. Aber wollen die Initiatoren des Bürgerbegehrens wirklich auch keine Containerdörfer, oder wollen sie nicht vielmehr gar keine Flüchtlinge?", so Alexander Krüger. Bei der Unterschriftensammlung habe er selbst erlebt, wie gegen Flüchtlinge gehetzt wurde.

21:16

"Meine Fraktion und ich sehen Greifswalderinnen und Greifswalder, die Ängste und Sorgen vortragen. Doch mischen sich darunter rassistische Töne, Hass und Hetze, was wir entschieden ablehnen. Ein entscheidender Faktor für Verständnis ist Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern. Da ist einiges schief gelaufen und damit müssen wir nun umgehen, dass darf aber nicht auf dem Rücken der Flüchtlinge geschehen. Flucht ist kein Verbrechen! Wie würden wir uns verhalten, wenn es um uns ginge , um unsere Familien? Meine fraktion und ich, wir wollen, dass Menschen gar nicht erst gezwungen werden, ihre Heimat zu verlassen. Aber in der Welt geht  es nicht gerecht zu. Ändern können wir das hier in Greifswald nicht, Menschlichkeit können die Flüchtlinge aber erwarten. Niemand von uns will Containerlager, schon gar nicht in der Größe, die der Landkreis vorgeschlagen hat. Diese sind menschenunwürdig, sowohl für die Ankommenden, aber auch für die einheimische Bevölkerung. Eine dezentrale Unterbringung müsse vorrangig geprüft werden. Container sind nur eine Notlösung", so Mignon Schwenke aus unserer Fraktion.

21:36

"Ist das das Bild, das die Welt von Greifswald sehen soll? Dieses Bild schreckt dringend benötigte Fachkräfte ab", sorgt sich Andreas Kerath über den aktuellen politischen Diskurs in unserer Stadt. Die Fraktion BG/FDP/KfV kündigt derweil an, keiner Beschlussvorlage zuzustimmen. Erst solle das Ergebnis des Bürgerbegehrens vor einer Entscheidung abgewartet werden.

22:00

Dieser Ticker kann und will gar nicht den ganzen Hasse reproduzieren, der von einigen Bürgerschaftsmitgliedern hier offen ausgelebt wird. Drohungen gegen andere Bürgerschaftsmitglieder aus dem rechten Lager heute ganz normal.

22:05

"Wir halten das C hoch, wir sind christlich", so Frau Tolani von der CDU - aber nur so hoch, dass keiner unten durch passt. Also vor allem keine Flüchtlinge, die aus ihrer Sicht nicht nach Deutschland gehören.

22:27

Ein gutes Argument wird nicht besser, nur weil man es zigmal wiederkaut. So langsam dreht sich die Debatte im Kreis, auf beiden Seiten, leider. Meine begleitenden Mitzuschauerinnen sind schon raus. Auch wegen Kopfschmerzen vom vielen Kopfschütteln. Der Ticker hält weiterhin durch.

22:38

Warum müssen manche Herren in der Bürgerschaft eigentlich immer so brüllen? Keine Inhalte, aber Lautstärke. Von der CDU wird immer noch auf dem Standort der Wiese hinter der CDF-Schule rumgeritten. In unserer gemeinsamen Vorlage mit SPD und Grünen steht davon kein Wort mehr. Den Standort am Usedomer Weg neben der CDF-Turnhalle halten wir für nicht geeignet. Uns geht es  um menschenwürdige Bedingungen für Flüchtlinge und eine umfangreiche Beteiligung von Politik und Bevölkerung. Eine Containeranlage am Stadtrand, in der bis zu 500 Menschen auf engstem Raum unter widrigen Bedingungen leben müssen, ist moralisch nicht vertretbar und in unseren Augen der direkte Weg zu einer kalkulierten Eskalation.

22:54

Alle drei Anträge werden nun namentlich abgestimmt. Der AfD-Antrag wird mit 34 Nein-Stimmen abgelehnt.

22:57

Die Beschlussvorlage von SPD, Grünen und unserer Fraktion wird mehrheitlich angenommen. Die Verwaltungsvorlage wird daher zurückgezogen.

Damit endet die öffentliche Sitzung hier. Eine nicht öffentliche Sitzung wird es nicht geben. Gute Nacht.