Unsere Sicht auf die Greifswalder Polizei

Anja Hübner, Juliane Jahn

+++ beschädigtes CDU-Plakat war Anlass für eine Presseanfrage der OZ +++ unser Statement zur Polizei in Greifswald hier in voller Länge +++ wachsender Vertrauensverlust ist ein Alarmzeichen +++ es müssen unabhängige Kontrollmechanismen etabliert werden +++

Ein Plakat der Greifswald CDU hängt derzeit unübersehbar an einer Hausfassade in der Anklamer Straße. „Polizei gibt Sicherheit. Greifswald sagt Danke!“ heißt es darauf. Das gefällt  nicht allen - zuletzt haben Farbbeutel solchen Unmut ausgedrückt. Dies nahm die Ostseezeitung in Greifswald zum Anlass, sich nach der Meinung unserer Kommunalpolitikerinnen und -politiker zum Farb-Vorfall und zur Polizei allgemein zu erkundigen. Unser Fraktionsmitglied Anja Hübner hat im Namen unserer Fraktion geantwortet. Das gesamte Statement findet sich hier in voller Länge.

 

OZ: Welchen Ruf hat die Polizei in Greifswald und dem Umland Ihrer Meinung nach? Gibt es ein generelles Akzeptanzproblem in manchen Kreisen der Bevölkerung?

Der Ruf der Greifswalder Polizei leidet selbstverständlich durch die sich permanent wiederholenden Vorfälle in Greifswald und ganz Mecklenburg-Vorpommern. Ein natürliches Symptom jahrelanger Willkür weniger Personen innerhalb von Polizei und Politik, das zu Lasten aller  Bürgerinnen und Bürger und nicht zuletzt auch sämtlicher anständiger Polizistinnen und Polizisten geht. 

Das erfragte "generelle Akzeptanzproblem" findet sich nur bei sehr kleinen Teilen der Bevölkerung. Jedoch viel alarmierender nehmen wir die Tatsache wahr, dass  wachsender Vertrauensverlust in die Polizei und damit einhergehende berechtigte Kritik nicht zum Anlass genommen werden, dringend notwendige Veränderungen herbeizuführen. Dies betrifft eine größere Anzahl an Menschen, die sich aber auf die Polizei verlassen möchten und daher besorgt sind über teilweise verfassungsgefährdende und gewalttätige Tendenzen innerhalb der Behörden.

Wie kann die Debatte um Polizeigewalt in Deutschland konstruktiv weitergeführt werden?

LOBBI e.V. und der Arbeitskreis kritischer Juristinnen und Juristen organisierten im Februar 2020 eine Podiumsdiskussion "(Un)sicherheitsbehörden" im St. Spiritus. Das war schon ein guter Anfang für eine solche Kommunikation. Wenn dann auch im Nachgang die Kommunikation weiter geführt würde, um dann auch Maßnahmen und Veränderungen in der Polizei sichtbar zu machen, wäre es noch besser. Wir befinden uns derzeit an einem wichtigen Punkt in diesem Prozess, das Bewusstsein für Polizeigewalt ist so hoch wie seit langem nicht, nun müssen umgehend Verbesserungsprozesse in Gang gesetzt werden!

Wie beurteilst du das CDU-Plakat an der Europakreuzung und die darauf geschehenen Beschädigungen?

Ich halte generell nichts von Gewalt, lehne sie in jeder Form konsequent ab. Aber ein CDU-Plakat in AfD-Blau? Da geht es wohl gar nicht mehr um die Polizei, sondern wohl eher um eine gewisse Profilierung in Hinsicht auf die Landtagswahl im kommenden Jahr oder um Ablenkung vom Korruptionsskandal um Philipp Amthor. .

Braucht es eine überparteiliche Demonstration für die Polizei in Greifswald oder der Region? 

Definitiv nein! Die Polizei hat eine klare Aufgabe und Position in unserer Gesellschaft, eine Solidarisierung mit der Polizei ist schlicht nicht notwendig, hier spielen parteipolitische Interessen hinein, die immer dann aufkommen, wenn tatsächliche Missstände innerhalb unserer Ordnungsbehörden thematisiert werden. Es ist wichtig, konstruktive Debatten um die Problematiken zu führen, die auch die Opferperspektiven mit einbeziehen. Symbolischer Aktionismus hilft niemandem.

Im US-amerikanischen Minneapolis soll die Polizei abgeschafft werden, in Deutschland wird über eine unabhängige Untersuchungsstelle diskutiert: Wie sollten sich Akteure der Stadt Greifswald in dieser Debatte positionieren?

Zunächst einmal sollte man die Probleme überhaupt sehen wollen, dies ist unsere Pflicht gegenüber der Bevölkerung und all den Polizistinnen und Polizisten, die aufopferungsvoll vernünftige Arbeit leisten. Gerade Mecklenburg-Vorpommern gilt als Paradebeispiel für Rechtsradikalismus, Gewaltverherrlichung und Kriminalität innerhalb der Polizei, doch zu gern wird diesbezüglich weggeschaut und verharmlost. Die logische Konsequenz kann dann nur sein, unabhängige Kontrollmechanismen zu etablieren, unser Nachbar Dänemark macht es seit Jahren vor. Aber damit allein ist es nicht getan. Berlin hat bspw. ein Anti-Diskriminierungsgesetz. Brauchen wir derartiges auch in Greifswald? Klare Antwort: Ja!

Auch die Auswahlverfahren bedürfen einer Anpassung, so sollte der Frauenanteil stärker gefördert werden und der Fokus noch viel mehr darauf gelegt werden, Bewerberinnen und Bewerber mit hohem Risiko zu psychischer Instabilität und Machtmissbrauch frühzeitig zu erkennen. Die Podiumsdiskussion "(Un)Sicherheitsbehörden" im Februar 2020 im St. Spiritus (OZ berichtete) gemeinsam mit der Polizei hat gezeigt, auch in Greifswald gibt es Beamte, die ihre technischen Möglichkeiten und Befugnisse mitunter missbrauchen